
Von Heike Zafar
Viele Kurden im Münsterland sorgen sich um ihre Angehörigen im Irak und Syrien. Allein in Senden leben mehr als 30 Familien, die aus Gebieten stammen, die von der Terrormilz IS bedroht werden. Aus Sorge um ihre Angehörigen und Freunde können sie kaum noch schlafen. Medya Yilmaz (23) konnte die Ungewissheit nicht länger ertragen und ist deshalb mit ihrer Mutter in ihre Heimat gefahren. Wir haben mit ihr gesprochen...
Medya, es ist schon ungewöhnlich, dass Sie sich mit Ihrer Mutter auf den Weg gemacht haben. Was war ihr Ziel?
Ich hab' mir extra Urlaub genommen. Ich wollte es einfach sehen. Ich musste mir meine eigene Meinung bilden. Meine Mutter und ich waren in Mardin, das ist unsere Heimatstadt. Wir haben dort bei
meiner Tante gewohnt und von dort aus zwei Flüchtlingslager besucht. Ich kann wirklich heute hier sagen, die Menschen haben dort wirklich gar nichts. Sie sind auf alles angewiesen. Ob es
Lebensmittel sind, ob medizinische Hilfe, die Menschen brauchen alles.
Ja natürlich, wir haben ihnen Lebensmittel gekauft, vor allem Reis, Zucker und andere haltbare Lebensmittel. Außerdem Babynahrung und Schnuller für die Kinder und ganz wichtig: Schuhe. Vor allem die Kinder hatten oft keine. Wir haben vor allem Schlappen gekauft und für jede Familie ein Paar feste Schuhe, damit wenigstens einer aus der Familie gut ausgerüstet ist und schnell laufen kann, wenn Gefahr droht. Zur Zeit ist die Situation ja noch ertäglich, weil es noch warm ist. Aber der Winter naht, die Menschen sind in Zelten untergebracht, die für den Sommer sind. Was wird passieren, wenn der Regen kommt, wenn es wirklich Winter wird?
Was hat Sie am meisten geschockt?
Am schrecklichsten waren für mich und meine Mutter die Blicke der Frauen: Die waren wirklich sehr traumatisiert, die haben sich zum Teil gar nicht bewegt. Die standen da, reaktionslos. Die haben die Außenwelt gar nicht wahrgenommen. Eine alte Frau saß den ganzen Tag ohne jede Reaktion auf einem Stuhl: Sie hatte 15 Angehörige verloren. Meine Mutter konnte das kaum ertragen.
Jetzt planen Sie weitere Aktionen?
Ja, wir Frauen haben ja am Samstag in der münsterischen Innenstadt gegen die Massenvergewaltigungen und Versklavung der kurdischen Frauen demonstriert. Das liegt uns Kurdinnen aus Senden
besonders am Herzen: Die Frauen werden an IS-Soldaten zwangsverheiratet oder auf Märkten verkauft, für 10 Dollar. Wir können das einfach nicht totschweigen, wir müssen alle etwas tun.